Wie man am besten von Helsinki nach Lappland reist, dem Weihnachtsmann einen Besuch abstattet und was man sich – abgesehen von all der “Weihnachtlichkeit” und den Mumins – in Rovaniemi noch alles ansehen kann.
Abfahrt in Helsinki
Nach Sonnenuntergang sieht das Bahnhofsgebäude von Helsinki besonders beeindruckend aus. Zu der Zeit, wenn seine Skulptur-Giganten ihre Globus-förmigen Lampen entzünden (seit 2013 mit LED Lämpchen ausgestattet, ein Hoch auf das Zeitalter des Energiesparens!). Von hier beginnt meine Reise nach Rovaniemi in Lappland – einem Ort mit frostigem Wetter und warmem Herzen.Es ist ein später Sonntagabend und ich warte inmitten eines kunterbunt gemischten Haufens Fremder (es gibt hier eine merklich hohe Anzahl chinesischer Touristen – lest bitte weiter, wir werden sie später wieder treffen) auf meinen Zug. Der Großteil der Cafés und kleiner Läden hat bereits geschlossen, aber es erweist sich dennoch nicht als allzu schwierig, einen Kaffee, Sandwiches oder Pommes und Hamburger (die erste Halle besteht zu einem Drittel aus einer beliebten Fastfood-Kette) zwischen die Finger zu bekommen.
Der Zug ist endlich da, draußen ist es kalt und ich versuche, ebenso wie die anderen Passagiere, die kurze Strecke zwischen Wartehalle und meinem Waggon so schnell wie möglich zurückzulegen.
Ein wahres Winterwunderland: der Nachtzug von Helsinki nach Rovaniemi
Mein Schlafabteil befindet sich im unteren Bereich eines zweistöckigen Waggons. Es bietet zwar nicht sonderlich viel Platz, aber ist warm und recht gemütlich. Die gibt zwei Betten, ein Waschbecken, einen kleinen Tisch und einen zusätzlichen Sitz. Die Anzahl der Steckdosen im Abteil wird die Kleingerät-Süchtigen unter euch positiv überraschen – es gibt insgesamt sechs davon! Und wo wir gerade von Sucht reden, es gibt exzellentes Wi-Fi an Bord, welches nicht nach einem Passwort verlangt (selbstverständlich gratis).Ich empfinde große Genugtuung dabei, alle meine Geräte gleichzeitig zu laden, während ich mich etwas genauer umsehe. Es gibt einen Temperaturregler, eine individuelle Lampe für jeden Passagier, Kleiderhaken, einen Mülleimer und ein paar integrierte Wecker.
Nach meinem Aufenthalt auf den kalten, winterlichen Straßen Helsinkis, fällt es schwer, nicht schläfrig zu werden. Ich kann meinem einladenden Bett nicht länger widerstehen und lösche das Licht, während ich sanft einschlafe.
Dennoch habe ich einen rastlosen Gefährten, der niemals schläft – das blaue Nachtlicht, nahe der Tür.
Während draußen Dunkelheit herrscht und meine Jalousien geschlossen sind, lasst uns ein wenig über die Route sprechen. Abfahrt ist um 23.13 Uhr in Helsinki. Von dort durchquert der Zug nahezu ganz Finnland auf der Reise gen Norden, in Richtung des Polarkreises. Die Fahrtzeit beträgt knapp 12 Stunden, wobei man kurz vorm Mittag in Lappland ankommt.
Auf der Strecke gibt es einige Halte, die Meisten während der Nacht – sodass es kein Wunder ist, wenn man sämtliche Stationen verschläft (genau so sehe ich das). Dennoch kann man morgens den letzten großen Halt noch miterleben – Oulu, die nördlichste aller finnischen Großstädte.
Verdienterweise erweckt der finnische Norden sofort meine Aufmerksamkeit. Ich sitze nah am Fenster und blicke hinaus. Die Sonne spielt ihr Lichtspiel mit den schneebedeckten Tannenwipfeln, kleine Hügel und gefrorene Flüsse erscheinen und verschwinden wieder. Ab und an erinnern verschiedenste Gebäude daran, wie bunt sie gegenüber der Winterlandschaft sind.
Von meinem Beobachtungspunkt aus, habe ich es gemütlich und entscheide, dass es nicht schaden kann, noch ein wenig länger aus dem Fenster zu sehen.
Der Anblick der Natur zieht mich so sehr in seinen Bann, dass ich beinahe meine Chance verpasse, den Zug selbst ein wenig zu erkunden. Dennoch schaffe ich es gerade noch so, einen schnellen Abstecher durch die Flure zu machen und ein paar Dinge vor Ankunft zu überprüfen.
Neben den Doppeldecker-Waggons, wie der, in dem ich mich befinde, gibt es ein paar unterschiedliche Waggons. Einer hat hübsche, dunkelgrüne Innenwände, der Andere verfügt über schicke Türen mit diagonalen Linien und beeindruckend breiten Fenstern.
Ich verweile ein wenig nahe der großen Fenster und stelle mit Schrecken fest, dass der Zug bald in Rovaniemi ankommen wird. Schnell muss ich den Weg zurück in meine Kabine finden, meine Sachen zusammensuchen und mich für den Ausstieg bereit machen.
Ankunft in Rovaniemi
Es ist zwar eiskalt, aber sonnig und wunderschön. Der Schnee knirscht unter meinen Füßen und ich beobachte die anderen Passagiere beim Verlassen des Zuges. Erinnert ihr euch an die chinesischen Touristen? Wir laufen uns nochmals über den Weg!
Der Bahnhof von Rovaniemi hat wahnsinnig schicke Buchstaben auf seiner Fassade und sieht generell sehr einladend aus. Es gibt einen Fahrradparkplatz, der ziemlich vollgepackt und selbst zu dieser Jahreszeit sehr gefragt zu sein scheint.
Innerhalb des Bahnhofes gibt es einige Sitzbänke, einen Raum voller verschieden großer Gepäckschließfächer und ein China-Restaurant/Café.
Die Fensterscheiben des Bahnhofs sind mit skurrilen Winter-Szenen dekoriert, die aussehen, als hätte sie ein Kind gemalt. Schneebedeckte, von Eichhörnchen, Füchsen, Bären, Hasen und Schneemännern bewohnte Hügellandschaften. Die kleinen, in die Farbe gekratzten Botschaften fügen eine zusätzliche Kulturschicht hinzu.
Diese kindlichen Charaktere sollen eine festliche Stimmung hervorrufen, die einem niemals endenden Weihnachtsfest gleicht. Und das alles in Kombination mit einem China-Restaurant soll kein Zufall sein und hat sogar eine plausible Begründung – sie lautet wie folgt.
Eine Reise auf Touristenpfaden
Rovaniemi ist ein beliebtes Touristenziel, wofür hauptsächlich der Weihnachtsmann verantwortlich ist. Natürlich hat Lappland seinen Besuchern vieles zu bieten: Rentierfarmen, Husky-Schlittenfahrten, Eisfischerei, die Jagd nach den Polarlichtern und was weiß ich noch alles. Dennoch ist das Weihnachtsmanndorf die Hauptattraktion (und die am einfachsten zu Erreichende). Der gute, alte Rauschebart begrüßt einen bereits auf dem Weg hierher – beispielsweise auf dieser Wasserflasche aus einem Zugabteil.
Nichtsdestotrotz befinden sich sämtliche meiner Reisegefährten aus dem Zug auf dem Weg nach Santa Claus Village. Nun, ich auch. Es ist ein leichtes Unterfangen: Ich muss lediglich in den Bus Nummer acht steigen, der erfreulicherweise in der Nähe des Bahnhofs hält.
Der Bus fährt alle 45 Minuten und kostet 3,50 € (Fahrkarten sind vorne beim Fahrer erhältlich). Die Fahrt beträgt ca. 25 Minuten und der heißersehnte Halt ist der Letzte der Route, namens Arctic Circle.
Was ich an diesem Bus besonders mag, ist die gewöhnliche Route durch die Stadt, weshalb man quasi eine Stadtrundfahrt in Begleitung der hiesigen Anwohner bekommt (Ich möchte euch hiermit nahelegen, den ersten Bus nach eurer Ankunft absichtlich zu verpassen – der natürlich voller Touristen ist – und einfach in den Nächsten einzusteigen). Mein Bus war während der Fahrt voller junger, fröhlicher und redseliger Studenten. Ich bewundere die Stadtlandschaft und gelange mit hervorragender Laune an meinem Ziel an.
Santa Claus Village ist ein Freizeitpark, der – wenn ich das einmal so sagen darf – mitten im Nirgendwo erbaut wurde. Es gibt weit und breit nicht zu sehen außer hügelige Schneelandschaften und klaren Himmel. Nichtsdestotrotz ist dies wahrscheinlich die beste Umgebung für einen Ort wie diesen – hier sieht alles noch ein wenig fröhlicher, strahlender und glücklicher aus.
Das Dorf ist größtenteils Souvenirshop und Restaurant mit gratis WiFi, freundlichen Angestellten und einem gigantischen Außenthermometer – welches die klirrende Kälte hier draußen noch einmal ganz offensichtlich macht.
Auf der anderen Seite, was hatte ich erwartet? Ich befinde mich am Polarkreis. Dieser Ort muss schließlich eisig kalt sein.
Ein weiterer Hotspot des Dorfes ist das Hauptpostamt des Weihnachtsmannes, ein aus Stein und Kiefern erbautes Gebäude. Hier gibt es einiges zu Tun: Man kann Grußkarten an Freunde und Verwandte verschicken (es gibt eine ganz besondere Briefmarke, die deine Post wertvoller für Sammler macht), oder seinen Geburtsort auf einer Weltkarte markieren, oder einen Spielzeug-Weihnachtsmann in passender Größe und Format kaufen.
Und selbstverständlich kommen hier auch die Mumins ins Bild. Die haben ihr ganz eigenes Geschäft.
Alles ist lustig und niedlich, überall leuchten bunte Lichter, aber die Dunkelheit bricht schnell herein. Es ist Zeit zu gehen. Hello again, Bus Nummer 8!
Ein wenig Ruhe finden
Ich wohne im Railway Suite, einem großzügigen Apartment in Bahnhofsnähe. Es bietet alles, was man sich nur wünschen kann und noch etwas mehr: Es gibt einen gemütlichen Balkon mit Sofas (leider nicht bei diesem Wetter) und eine echte Sauna (mitten im Apartment, könnt ihr euch das vorstellen?). Jedenfalls bin ich hier, um mich für morgen ordentlich ausruhen zu können – dem Tag an dem ich mich ein wenig in der Stadt umsehen möchte. Übrigens werde ich alle möglichen Gründe dafür finden, meiner Vermieterin eine positive Nachricht im Gästebuch zu hinterlassen.
Mal etwas Anderes entdecken
Rovaniemi ist für Touristen ausgerichtet, das steht außer Frage. Es ist Weihnachtsmann-liebend und vollgestopft mit Mumins. Aber auch abgesehen davon, ist es eine charmante kleine Stadt, wo man in Ruhe an der frischen Luft bummeln kann.
Das Städtchen liegt am Zusammenfluss zweier Flüsse – Kemijoki und Ounasjoki. Eine Stadt am Fluss zu bauen ist schließlich immer eine gute Idee, nicht wahr?
Es gibt eine Reihe malerischer Objekte auf den Straßen, die definitiv in irgendeiner Form geschichtsträchtig sind. Ich entscheide mich, keine Recherche zu betreiben und stattdessen meiner Fantasie freien Lauf zu lassen.
Die Stimmung in Rovaniemi ist entspannt. Es sind nicht allzu viele Menschen auf den Straßen und es ist recht ruhig hier. Ich habe das Gefühl, je länger ich Spazieren gehe, umso entspannter werde ich.
Letztlich wird meine Neugier reich belohnt – Ich finde mich in Korundi wieder. Korundi ist ein Kulturzentrum im renovierten Gebäude eines ehemaligen Postauto-Depots.
Es besteht aus einer Konzerthalle und einem Kunstmuseum. Ich besuche Zweiteres (Der Eintrittspreis beträgt 9 €, die jeden Cent wert sind).
Ich treffe keinen einzigen Touristen hier, was mich nicht im Geringsten überrascht. Es gibt eine beträchtliche Anzahl an aktuellen Ausstellungen – insgesamt vier. Das Museum ist wahrlich beeindruckend und – um euch die Details zu ersparen – möchte es allen, die sich für zeitgenössische Kunst interessieren, ans Herz legen.
Reich an neuen Eindrücken verlasse ich Korundi und begebe mich in Richtung Bahnhof. Mein Besuch ist bereits vorbei, der nächste Zug wartet bereits. Bleibt dran, für noch reicher ausgeschmückte und unerträglich lange Texte!
Ein paar letzte, zusammenfassende Worte
Guter Zug. Schöne Strecke. Unterhaltsames Dorf. Gemütliches Apartment. Reizendes Städtchen. Unglaubliches Museum. Ein guter Zeitvertreib. Du solltest deine Fahrkarte nach Rovaniemi unbedingt über ACPRail oder VR buchen. Es gibt keinen Grund, auf wärmere Tage zu warten – Dieser Ort geht perfekt mit dem Winter einher.
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