Die Länder der ehemaligen Sovietunion und deren Eisenbahnen haben mich immer schon fasziniert. Vergangenen April hatte ich schließlich die Möglichkeit, mit dem Nachtzug Paris - Moskau erstmals nach Russland zu reisen. Im August entschied ich mich also, gleich ein weiteres Land zu entdecken und plante eine kleine Tour in die Ukraine. Zusammen mit meinem besten Freund ging es nach Lemberg, größte und bedeutendste Stadt der Westukraine. Obwohl nur 700km von zuhause entfernt dauert die Anreise per Zug über 24 Stunden. Viel Zeit im Vergleich mit Zugreisen in Westeuropa, allerdings auch viel entspannter und ursprünglicher. Unsere Fahrt führte uns von Graz über Wien nach Bratislava, dann per Nachtzug nach Kosice in der Ostslowakei. Von dort aus ging es weiter zum ukrainischen Grenzbahnhof Chop und schließlich über die Karpaten nach Lemberg.

Wir beginnen unsere Reise in Graz und fahren mit dem Railjet über den Semmering nach Wien. Am neuen Hauptbahnhof steigen wir gemütlich in den REX nach Bratislava um wo wir eine knappe Stunde später ankommen. Diesen Teil der Anreise werde ich in einem anderen Blog detaillierter beschreiben. Hier will ich mich auf die Fahrt durch die Slowakei und die Ukraine beschränken. Wie fährt man nun am besten von Mitteleuropa in die Ukraine? Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Züge, die Kurswagen aus verschiedenen Städten nach Lemberg und Kiev mitführen. Von Polen aus gibt es einen Nachtzug von Warschau nach Kiev sowie einen Zug ab Breslau nach Lemberg mit Kurswagen aus Warschau. Daneben gibt es es noch Kurswagen aus Prag, Bratislava und Budapest nach Lemberg und weiter nach Kiev.

Aus Österreich stellt die Anreise über Bratislava die beste Option dar. Der Zug von Budapest nach Kiev fährt nämlich bereits früh am morgen los, sodass man eine Übernachtung in Budapest einlegen müsste. Der Kurswagen von Bratislava fährt hingegen abends, sodass man ihn bequem von Österreich (oder Deutschland) aus erreichen kann. Der Schlafwagen von Bratislava nach Lemberg und Kiev fährt fünf Mal pro Woche (Montag - Freitag). Er hängt bis Kosice am Nachtzug von Bratislava nach Presov. In Kosice wird der Kurswagen an einen Regionalzug nach Cierna nad Tisou gehängt. Von dort geht es weiter über die Grenze nach Chop in der Ukraine. Schließlich fährt er mit dem Nachtzug aus Uzhgorod nach Lemberg und weiter nach Kiev. Für unsere Fahrt nahmen wir allerdings nicht den direkten Kurswagen - warum findest du weiter unten heraus.

Über Nacht von Bratislava nach Kosice

Wir erreichen Bratislava an einem schönen Sommerabend. Bis zur Abfahrt unseres Zuges bleibt genug Zeit für ein Feierabendbier. Dafür begeben wir uns auf die Terrasse des Bahnhofsrestaurants, von der man gut das bunte Treiben auf dem Vorplatz beobachten kann. Auch das Etablissement selbst einen Blick wert - hier scheint die Zeit langsmer zu gehen. Nachdem wir die letzten Sonnenstrahlen genossen haben begeben wir uns nun langsam in Richtung Bahnsteig und warten auf unseren Zug.

Unser Zug mit Kurswagen nach Kosice verlässt Bratislava hl st.
Unser Zug mit Kurswagen nach Kosice verlässt Bratislava hl st.

Wie schon weiter oben erwähnt nehmen wir nicht den direkten Kurswagen ab Bratislava nach Lemberg. Stattdessen haben wir uns für den "Langschläferkurswagen" von Bratislava nach Kosice entschieden. Dafür gibt es zwei Gründe. Einerseits hängt dieser Schlafwagen von Bratislava bis Zilina an einem Schnellzug samt Speisewagen. Man kann also vor dem Schlafengehen noch gemütlich zu Abend essen. Dieses Erlebnis bieten mittlerweile nur mehr wenige Nachtzüge in Europa. Andererseits verkehrt der Kurswagen ab Bratislava nur von Montag bis Freitag - und wir sind an einem Samstag unterwegs. Einen weiteren Grund erkläre ich noch später.

Mit einem "Görlitzer" Schlafwagen durch die Nacht

Unser Zug soll um 19:55 abfahren, doch ist von ihm wenige Minuten vor Abfahrt nichts zu sehen. Schließlich werden auf den Anzeigen 20 Minuten Verspätung angekündigt. Langsam werden wir ungeduldig, immerhin möchten wir ja noch in den Speisewagen. Endlich wird der Zug bereitgestellt und wir können einsteigen. Der Schlafwagen ist ein alter "Görlitzer" aus ostdeutscher Produktion der späten 70er. Trotz seines Alters ist der Wagen gut gepflegt, alles ist sauber und funktioniert. Der Wagen besitzt zehn Abteile mit jeweils drei Betten sowie einem Waschbecken. Zwei Toiletten befinden sich an den Wagenenden, es gibt allerdings keine Dusche. Wir werden vom Schlafwagenschaffner begrüßt, der unsere Fahrkarten kontrolliert und über Nacht verwahren wird. Leider scheint er einen schlechten Tag zu haben und verzieht sich gleich darauf wieder in sein Dienstabteil. Nun machen wir es uns bequem im Abteil und warten auf die Abfahrt des Zuges.

Zweibettabteil im Görlitzer Schlafwagen.
Zweibettabteil im Görlitzer Schlafwagen.

Nun ist es endlich soweit, der Zug setzt sich langsam in Bewegung und unsere Reise in den Osten beginnt. Für uns ist es höchste Zeit dem Speisewagen einen Besuch abzustatten. Dabei gibt es aber eine kleine Schwierigkeit: die Übergangstüren vom Schlafwagen zum benachbarten Waggon sind nämlich verschlossen. Wir bitten also den Betreuer, uns die Türen zu öffnen, wozu es aber einiges an Überzeugungskraft unsererseits benötigt (ich habe erwähnt, dass er nicht den besten Tag hatte?). Leider bringt uns das auch nicht weiter zu unserem Ziel, da die Türen des anderen Wagens von Innen verschlossen sind. Also warten wir bis zum nächsten Bahnhof, steigen aus und gleich wieder in den nächsten Wagen ein. Nun müssen wir nur noch bis zum anderen Ende des Zuges gehen und erreichen schließlich den Speisewagen. Spärlich beleuchtet strahlt er eine gemütliche, stimmungsvolle Atmosphäre aus.

Abendessen im Speisewagen

Ich war bereits zwei Mal mit diesem Zug unterwegs und jedes Mal konnte ich ein frisch gekochtes Abendessen genießen. Die slowakischen Speisewagen sind nämlich unter den letzten in Europa, wo großteils noch frisch gekocht wird. Entsprechend beliebt sind sie gerade unter Eisenbahnfreunden. Leider haben wir heute Pech: der Kellner erklärt uns, dass es nur mehr Pommes frites geben würde, alles andere sei ausverkauft. Wie es dazu kommen konnte verstehen wird nicht ganz, aber zu ändern ist daran auch nichts. Um unseren Hunger zumindest etwas zu stillen bestellen wir notgedrungen zwei Portionen. Immerhin gibt es noch kaltes Bier...

Stimmungsvolle Atmosphäre im Speisewagen.
Stimmungsvolle Atmosphäre im Speisewagen.

Früher als eigentlich geplant machen wir uns auf den Weg zurück zum Schlafwagen. So bleibt ein mehr Zeit um zu schlafen, was sinnvoller scheint als ein weiteres Bier im Speisewagen zu trinken. Gegen elf Uhr wird Zilina erreicht, Endstation des Schnellzuges. Hier wird unser Schlafwagen auf ein Nebengleis rangiert, wo wir die Nacht verbringen werden. In einem stehenden Schlafwagen zu schlafen ist recht ungewöhnlich, ich vermisse die Fahrgeräusche und das stetige Ruckeln und Wanken. Stattdessen ist es ruhig, nur gelegentlich hört man die Automatenstimme, die einen Zug ankündigt. Ich schlafe gut, werde nur kurz beim morgendlichen Rangiermanöver wach. Unser Wagen wird an den Nachtzug von Prag nach Kosice gekuppelt, mit dem wir die restliche Strecke zurücklegen werden.

Guten Morgen Kosice

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker gegen sieben Uhr. Die östliche Slowakei begrüßt uns mit einem klaren und sonnigen Tag. Der Zug ist gerade unterwegs durch das idyllische Tal des Hornad, wir sind also etwa eine halbe Stunde von Kosice entfernt. Zeit genug, um sich frisch für den Tag zu machen und für einen Kaffee. Dieser ist im Schlafwagenpreis inklusive (alternativ gibt es Tee) und sollte vom Betreuer serviert werden. Leider hat sich die Laune unseres Mannes heute Morgen nicht gebessert und so dauert es eine Weile, bis wir ihn überzeugen können uns doch unseren bezahlten Kaffee zu bringen. Irgendwie ist es zwar kleinlich, auf das Servieren des Kaffees zu bestehen, andererseits hat man diese Serviceleistung ja auch bezahlt. Ich hoffe jedenfalls auf weniger Problemchen bei der nächsten Fahrt...

Der Nachtzug von Prag in Kosice. Der erste Wagen hinter der Lok ist unser Kurswagen aus Bratislava.
Der Nachtzug von Prag in Kosice. Der erste Wagen hinter der Lok ist unser Kurswagen aus Bratislava.

Pünktlich erreichen wir Kosice, wo wir nur zwei Stunden Zeit haben. Genug Zeit für einen kleinen Spaziergang durch die Innenstadt, die nur einen kurzen Fußmarsch vom Bahnhof entfernt ist. Nachdem wir das im Vorjahr aber schon gemacht haben entscheiden wir uns, am Bahnhof zu bleiben. Nachdem das Abendessen gestern ja etwas dürftig ausgefallen war suchen wir ein Restaurant im ersten Stock des Bahnhofs auf. Dort ist die Küche schon fleißig und der Geruch von allerlei frischen Gerichten macht uns noch hungriger. Trotz der frühen Stunde wäre die gesamte Speisekarte verfügbar, aber es ist uns dann doch zu früh für Schnitzel oder Knödel. Also entscheiden wir uns ganz klassisch für Omelette, Saft und Kaffee.

Von Kosice nach Chop

Nach dem Frühstück besorgen wir uns noch ein wenig Jause für die folgenden Stunden. Dafür hat man am Bahnhof eine reichhaltige Auswahl von kleinen Läden und Bäckereien sowie einen Supermarkt. Mittlerweile sind die Umbauarbeiten des Bahnhofgebäudes sowie des Vorplatzes weitgehend abgeschlossen wie wir bei einem kleinen Rundgang feststellen. Wir kaufen unsere Fahrkarten nach Chop und als unser Zug auf der Anzeigetafel in der Halle aufleuchtet machen wir uns wieder auf zum Bahnsteig.

Der Regionalzug nach Cierna nad Tisou. Am Zugschluss hängt der Kurswagen von Prag nach Lemberg und Kiew.
Der Regionalzug nach Cierna nad Tisou. Am Zugschluss hängt der Kurswagen von Prag nach Lemberg und Kiew.

Der Regionalzug zum Grenzbahnhof Cierna nad Tisou besteht aus einer Reihe älterer Wagen. Sogar ein Liegewagen ist dabei! Am Ende des Zuges hängt der ukrainische Kurswagen aus Prag nach Kiew, der heute früh mit dem Nachtzug von Prag nach Humenne nach Kosice gekomme ist. Wir suchen uns ein freies Abteil in einem der Waggons. Hier ist überall noch der alte Charme der sozialistischen Tschechoslowakei zu spüren. Sitzbänke mit braunem Kunstleder, große Fenster die sich noch öffnen lassen und Drehgestelle mit quietschenden Klotzbremsen. Hier scheint die Zeit ein wenig stillzustehen. Und das ist nicht unbedingt ein schlechtes Gefühl!

Durch die Ostslowakei

Ein paar Kilometer hinter Kosice erblicken wir zum ersten Mal die Gleise der Breitspurstrecke aus der Ukraine zum großen Stahlwerk außerhalb von Kosice. Diese Linie wurde gebaut um die schweren Kohle- und Erzzüge aus der ehemaligen Sovietunion direkt zum Stahlwerk zu führen, ohne dabei auf Normalspur umspuren zu müssen. Sie ist heute immer noch in Betrieb und verläuft einige Zeit parallel zur Normalspurstrecke. Später zweigt sie dann von dieser ab und verläuft auf einer eigenen Trasse zur Grenze bei Uschhorod. Leider sehen wir keinen Breitspurzug, aber immerhin begegnen uns zwei lange Güterzüge auf der Normalspurstrecke.


Unterwegs durch die Hügeln der Ostslowakei. Im Vordergrund die Breitspurgleise von Kosice nach Uschhorod.

Die Fahrt von Kosice zur Grenze dauert knapp zwei Stunden. Nachdem wir die Hügelkette Slanské vrchy passiert haben führt die Strecke durch das flache ostslowakische Tiefland. Ein interessanter Zwischenhalt hier ist Slovenské Nové Mesto, das direkt an der Grenze zu Ungarn liegt. Auf der anderen Seite der Grenze liegt die Zwillingsstadt Sátoraljaúhely in der Weinregion von Tokaj. Man kann die Grenze zu Fuß queren und von Sátoraljaúhely aus einen Zug nach Miskolc und Budapest nehmen. Schließlich aber ziehen die weitläufigen Gleisanlagen von Cierna nad Tisou am Fenster vorbei. Hier findet der Umschlag von Breit- auf Normalspur statt. Der Personenbahnhof wirkt regelrecht winzig im Vergleich. Die meisten Aussteiger hier sind Backpacker wie wir, und gemeinsam warten wir nun auf die Weiterfahrt über die Grenze.

Üer die Grenze in die Ukraine

Es gibt nur zwei Zugpaare pro Tag zwischen Cierna und dem ukrainischen Chop auf der anderen Seite der Grenze. Zum Einsatz kommt dabei ein einzelner Wagen, ein ehemaliger 1.Klasse-Prototyp. Ein Zugpaar befördert dabei auch die Kurswagen aus Bratislava und Prag nach Kiew. Obwohl die beiden Grenzstädtchen nur knapp zehn Kilometer entfernt liegen dauert die Fahrt eine knappe Stunde. Grund dafür ist die slowakische Zoll- und Passkontrolle. Wir warten also gemeinsam mit den anderen Reisenden auf den Regionalzug über die Grenze. Nach einer Weile rollt dieser auch an den Bahnsteig und wir steigen ein. Die Atmosphäre ist entspannt, eine Gruppe tschechischer Wanderer spielt Gitarre, andere gönnen sich ein Bier. Alle sind gespannt, was hinter der Grenze auf uns wartet.

Der Regionalzug über die Grenze von Cierna nach Chop.
Der Regionalzug über die Grenze von Cierna nach Chop.

Langsam rollt der Zug in Richtung Grenze, nur um nach kurzer Fahrt wieder anzuhalten. Direkt an der Grenze halten wir an einem kleinen Bahnsteig, wo die slowakischen Grenz- und Zollpolizisten zusteigen. Die Kontrolle bei uns im Waggon verläuft schnell und unproblematisch. Im Anschluss werden noch die Fahrgäste des Schlafwagens kontrolliert, was ein wenig länger dauert, aber schließlich setzen wir uns wieder in Bewegung.

Willkommen in der Ukraine

Nur ein paar Meter hinter dem Checkpoint queren wir also die Grenze in die Ukraine. Im Vergleich zur Einreise nach Weißrussland und Russland im April bin ich viel entspannter. Immerhin benötige ich für die Einreise in die Ukraine kein Visum und es wartet nicht eine ganze Brigade Uniformierter direkt hinter der Grenze. Stattdessen rollt der Zug langsam in Richtung des Bahnhofs Chop. Nach einer Weile ist das Gleis aus dem ungarischen Grenzbahnhof Zahony zu erkennen und wenige Minuten später halten wir am Bahnsteig.

Die beeindruckende Bahnhofshalle von Chop.
Die beeindruckende Bahnhofshalle von Chop.

Wir betreten nun zum ersten Mal ukrainischen Boden. Am Bahnsteig weisen uns Grenzbeamte auf den Weg zur Zoll- und Passkontrolle hin. Diese findet im Bahnhofsgebäude statt. In der schummrigen Grenzabfertigung werden zuerst unsere Pässe kontrolliert und gestempelt. Anschließend werden wir nach zu verzollenden Waren gefragt und müssen unsere Rucksäcke und Taschen öffnen. Die anwesenden Beamten sind recht freundlich und nachdem klar ist, dass sie es mit harmlosen Touristen zu tun haben dürfen wir gehen. Durch eine Tür erreichen wir die beeindruckende Bahnhofshalle von Chop. Willkommen in der Ukraine!

Von Chop nach Lemberg

Wir haben nun drei Stunden bis zur Abfahrt unseres Zuges nach Lemberg. Passend dazu kann ich kurz erklären, warum wir nicht den direkten Kurswagen nehmen: die Kurswagen aus Bratislava, Prag und Budapest müssen in Chop umgespurt werden. Dies ist notwendig, da man in der Ukraine auf breitspurigen Gleisen unterwegs ist. Bei dieser Umspurung werden die gesamten Drehgestelle getauscht. Eine interessante, aber zeitaufwändige Prozedur. Ist man nun mit diesen Kurswagen unterwegs kann es sein, dass man während der ganzen Zeit im Wagen bleiben muss. Nimmt man hingegen so wie wir den Regionalzug kann man sich während des Aufenthalts frei am Bahnhof und im Ort bewegen. Und genau das haben wir nun vor.

Nachtzug von Uschhorod nach Lemberg und Kiew am Bahnsteig in Chop.
Nachtzug von Uschhorod nach Lemberg und Kiew am Bahnsteig in Chop.

Nur wenige Meter entfernt vom Bahnhof befindet sich eine kleine Pizzeria samt Gastgarten. Sie nennt sih Pizza Ricco und befindet sich an der Bereg-Straße. Vom Bahnhof aus links die Straße hinunter und nach vielleicht fünfzig Metern ist schon ein Wegweiser zu sehen. Die Speisekarte ist zwar nur auf ukrainisch vorhanden, mit der Hilfe der Kellnerin schaffen wir es aber zu bestellen. Schließlich werden die Pizzen samt einem Schälchen Ketchup serviert. Sie sind absolut in Ordnung und schlussendlich zahlen wir für zwei Pizzen sowie zwei kleine und zwei große Bier nicht viel mehr als 150 UAH. Das entspricht etwa 5€...

Die zum Bezahlen notwendigen ukrainischen Hrywnja bekomt man übrigens "unbürokratisch" bei den zahlreichen Schwarzwechslern in der Bahnhofshalle. Für 10€ habe ich 270 UAH bekommen, was absolut in Ordnung ist. Bankomat haben wir keinen gesehen, man ist also ohnehin auf die Dienste der Schwarzwechsler angewiesen.

Im Nachtzug durch die Ukraine

Zurück am Bahnhof sehen wir, dass unser Zug bereits am Bahnsteig steht. So ein Breitspurzug ist immer wieder ein imposanter Anblick! Schier unendlich lang, deutlich breiter und höher als das was man von Zuhause gewohnt ist. Die Schaffner der einzelnen Wagen warten an den Einstiegstüren auf die zusteigenden Fahrgäste. Wir haben ein Zweibettabteil gebucht, was der 1. Klasse entspricht. Die Buchung ging problemlos über die Website der ukrainischen Bahn (mehr dazu weiter unten). Unsere Provodniza (Schaffnerin) zeigt uns das Abteil, das sich ganz am Ende des Wagens über dem Drehgestellt befindet. Es ist blitzblank und angenehm geräumig, frisches Bettzeug ist natürlich ebenfalls vorhanden.

Unser komfortables Zweibettabteil.
Unser komfortables Zweibettabteil.

Startbahnhof unserers Zuges war Uschhorod, Hauptstadt der Oblast Transkarpatien. Chop ist der erste Zwischenhalt, hier ändert der Zug seine Fahrtrichtung und die Kurswagen aus Bratislava, Prag und Budapest werden an den Zug gehängt. Der Größenunterschied der für das europäische Profil ausgelegten Wagen zu den Breitspurwagen ist deutlich sichtbar. Viele Reisende nutzen den längeren Aufenthalt für eine Zigarettenpause am Bahnsteig. Schließlich ist aber die Abfahrtszeit erreicht, die Türen werden geschlossen und langsam setzt sich die lange Wagenschlange in Bewegung.

Über die Karpaten

Chop liegt im weiten Tal der Theiß. Das Tiefland von Transkarpatien ist eine weite, flache Landschaft und von der Landwirtschaft dominiert. Von Chop aus führt die Fahrt recht gemächlich durch die Felder. Der heiße und trockene Sommer hat hier seine Spuren hinterlassen, draußen flimmert die Luft. In unserem Abteil ist es hingegen angenehm kühl, die Klimaanlage leistet gute Dienste. Draußen ziehen kleine Dörfer, Stationen, Felder im Wechsel vorbei. Nach etwa einer Stunde erreicht der Zug Mukatschewe, die zweitgrößte Stadt Transkarpatiens am Fuße der Karpaten. Trotz des langsamen Tempos (Chop und Mukatschewe liegen nur 40 km entfernt) steigen an jedem Zwischenhalt zahlreiche Reisende zu. Der Zug ist hier offenbar noch konkurrenzfähig zu Bus und Flugzeug.

Mit dem Zug über die Karpaten.
Mit dem Zug über die Karpaten.

Nun lassen wir das Tiefland hinter uns und folgen der Latorica flussaufwärts in die Karpaten. Das Tal wird schnell enger und der Zug beginnt seinen Anstieg in Richtung Passhöhe. Meter für Meter geht es bergan, der Talboden entfernt sich mehr und mehr. Das einsetzende Abendlicht verwandelt die umliegenden Hügel und Berge in eine wunderschöne goldene Landschaft. Immer wieder werden Seitentäler auf großen Brücken gequert, jede von ihnen wird durch Soldaten bewacht. Die entgegenkommenden Güterzüge sind mit bis zu vier Doppellokomotiven bespannt. Schließlich erreichen wir den höchsten Punkt, den 1764 Meter langen Beskydtunnel. Heute die Grenze zwischen den Oblasts Transkarpatien und Lemberg verlief hier einst die Grenze Österreich-Ungarns.


Der lange Zug ist wieder bergab unterwegs.

Wir erreichen Lemberg

Am anderen Ende des Tunnels befindet sich eine große Baustelle. Es wurde ein neuer Tunnel parallel zum bestehenden gebaut. Dieser soll Anfang 2018 eröffnet werden. Durch die Dämmerung geht es jetzt wieder bergab. Wir bestellen uns Tee und genießen die letzten Stunden der Reise. Schließlich wird es finster draußen und in der Behaglichkeit unseres Abteils legen wir die letzten Kilometer bis Lemberg zurück. Dann ist es Zeit, zusammenzupacken und pünktlich gegen halb elf Uhr abends erreichen wir dann das Ziel unserer Reise.

Ankunft am wunderschönen Bahnhof von Lemberg.
Ankunft am wunderschönen Bahnhof von Lemberg.

Trotz der späten Stunde ist der Bahnhof noch voll von Reisenden, die aus dem Expresszug von Kiew aussteigen oder auf ihre Nachtzüge in alle Winkel der Ukraine warten. Wir marschieren zur Straßenbahnhaltestelle vor dem Bahnhof, und nach einigen Minuten kommt auch tatsächlich eine Straßenbahn vorbei. Sie lässt aber nur Leute aussteigen und verschwindet leer wieder Richtung Stadt. Schließlich erfahren wir, dass um diese Uhrzeit keine Straßenbahnen mehr in die Innenstadt fahren, sodass wir uns zu Fuß zu unserem Hostel aufmachen. Mit der Hilfe unseres Orientierungssinns sowie eines hilfsbereiten Einheimschen finden wir es dann auch. Nach dem Einchecken drehen wir dann noch eine schnelle Runde durch die Stadt. Davon mehr in einem anderen Blog...

Fahrplan von Bratislava nach Lemberg

Unser Reiseplan war wie folgt (Angaben jeweils in Ortszeit):

Bratislava 19:55 - 07:41 Kosice
Kosice 10:06 - 11:51 Cierna nad Tisou
Cierna nad Tisou 12:15 - 14:10 Chop
Chop 16:51 - 22:22 Lemberg (weiter in Richtung Kiew, Ankunft dort 07:43)

Dabei ist zu bedenken, dass in der Ukraine die Osteuropäische Zeit (OEZ) gilt, also eine Stunde plus zur Zeit in der Slowakei. Wie weiter oben schon erklärt kann man ab Bratislava auch ohne Umsteigen nach Lemberg (und Kiew) reisen, indem man den direkten Schlafwagen nutzt. Dieser fährt von Montag bis Freitag und fährt in Bratislava Nove Mesto um 22:51, in Bratislava hl st (Hauptbahnhof) um 23:49 ab. Am folgenden Tag wird Kosice um 06:48 erreicht. Ab Kosice hängt der Kurswagen an genau den gleichen Zügen wie von uns genutzt bis Lemberg und Kiew.

Fahrplan in der Gegenrichtung

Lemberg 10:10 - 15:23 Chop (verlässt Kiew am Vortag um 23:12)
Chop 17:35 - 17:40 Cierna nad Tisou
Cierna nad Tisou 18:04 - 19:54 Kosice
Kosice 22:08 - 08:05 Bratislava

Der direkte Kurswagen von Kiew und Lemberg nach Bratislava verlässt Kosice um 22:20 und erreicht Bratislava hl st um 05:25. Der Kurswagen fährt ab Kiew von Samstag bis Mittwoch (Ankunft in Bratislava von Montag bis Freitag).

Fahrkarten von Bratislava nach Lemberg

Wir haben eine Reihe unterschiedlicher Fahrkarten für diese Fahrt genutzt (alle Preise pro Person):

Bratislava - Kosice online via Slovakrail gekauft; ein Bett in einem Zweibettabteil 29€ (Sparpreis)
Der Normalpreis ist 35,40€

Kosice - Cierna - Chop vor Ort am Bahnhof Kosice gekauft; das Ticket zweiter Klasse kostet 6,90€

Chop - Lviv online via uz.ua gekauft; ein Bett in einem Zweibettabteil kostet 408 UAH (etwa 14€)
günstigere Fahrkarten gibt es im Vierbettabteil oder Platzkartny.

Ein durchgehendes Ticket von Bratislava nach Lemberg kostet 46,60€ plus 24€ für die Reservierung in einem Zweitbettabteildes Kurswagens.

Für eine Retourfahrt gibt es das City Star Ticket der Slowakischen Bahn. Die Retourfahrkarte Bratislava - Lemberg für zwei Personen inklusive Reservierung im Zweibettabteil kostet 47,70€ pro Person und Richtung.

Somit ist dieses Angebot etwas günstiger als das Stückeln verschiedener Tickets. Benötigt man allerdings kein Retourticket ist man mit der von uns gewählten Lösung am günstigsten unterwegs.

Ich hoffe, der kleine Reisebericht über unsere Fahrt in die Ukraine hat Interesse gefunden. Wir hatten jedenfalls eine wunderbare Zeit. Die Züge sind zwar nicht wahnsinnig schnell, dafür komfortabel und sauber und man bekommt einen guten Eindruck von Land und Leuten schon bevor man im Lemberg eintrifft.

Falls du irgedwelche Fragen oder Anmerkungen zum Thema hast freue ich mich über einen Kommentar oder einen Post im railcc Forum.

Vielen Dank fürs Lesen!

Update: Dezember 2016

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